20. Juli 2018

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Der Titel des Buches von Christian Bremer „Rein ins Leben, raus aus dem Stress“ klingt vielversprechend. Er lässt sich interpretieren als „Rein ins Spiel, rein in das bewusste Leben, raus aus dem Dahinvegetieren, raus aus der Routine, raus aus dem Hamsterrad“. So zumindest meine Hoffnung. Was der Autor Christian Bremer darunter versteht, ist mir bis zuletzt nicht wirklich klar.

Tragen wir alleine die Verantwortung für das Ergebnis unseres Handelns?

Beim Lesen des Buches pendle ich zwischen Kopfnicken und Kopfschütteln. Beispielsweise im einleitenden Kapitel über „Verantwortung übernehmen“. Da finden sich gefährliche Aussagen wie „Wenn Sie etwas nicht geschafft haben, dann nur, weil Sie irgendwann nachgelassen und aufgegeben haben. Nicht weil es unmöglich war.“ Gefährlich halte ich diese Aussage deswegen, weil die Schuld für allfälliges Nicht-Erreichen ganz uns selbst auferlegt wird. Das Umfeld, das Schicksal, die vorhandene Konstellationen werden ausgeblendet. Fühle ich mich schuldig, fühle ich mich als Versager, dann trägt dies nicht zu einem gesunden Selbstvertrauen bei. Dadurch erreiche ich künftig nicht mehr, ganz im Gegenteil.

Angenommen der Autor hat recht und ich trage tatsächlich zu 100 Prozent die Verantwortung über das Ergebnis meiner Bestrebungen: Weshalb werden dann nicht alle Präsidentschaftskandidaten Präsidenten? Weshalb werden nicht alle teilnehmenden Mannschaften der Fussball-Weltmeisterschaft Weltmeister? Weil die einen nicht an den Sieg geglaubt haben? Natürlich: Den perfekten, fehlerfreien Wahlkampf gibts nicht, das perfekte, fehlerfreie Spiel auch nicht. Gehen wir hypothetisch davon aus, dass beides möglich sei. Es kann ja trotzdem nur eine Mannschaft, ein Präsidentschaftskandidat gewinnen. Die Logik, dass das Umfeld keine Auswirkungen hat, geht nicht auf. Im Artikel "Dem Herzen folgen – so meisterst du die heikle Gratwanderung" gehe ich konkreter auf diese Problematik ein.

Dann wieder ein Nicken. Ja, wir sollten die Schuld nicht immer bei anderen suchen, sollten weniger nörgeln und stattdessen mehr handeln. Dann wieder ein Kopfschütteln: Wenn die Bahn Verspätung hat und ich zu spät an ein Meeting komme – ist das wirklich meine Schuld? Natürlich hätte ich einen Zug früher nehmen können. Vielleicht habe ich das aber bereits getan? Des Autors Fazit klingt wiederum gut:

So wie Christian Bremer diese Aussage allerdings auslegt, würde ich sie nicht unterschreiben – denn er blendet Einwirkungen von aussen komplett aus.

„Beenden wir die selbst erdachte Unmündigkeit und stürzen uns regelrecht in unsere Möglichkeiten.“

So wie Christian Bremer diese Aussage allerdings auslegt, würde ich sie nicht unterschreiben – denn er blendet Einwirkungen von aussen komplett aus.

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Ziele und Intentionen

Versuchen wir es mit dem nächsten Kapitel, das dem Thema „Ziele“ gewidmet ist. Hier unterscheidet der Autor zwischen Zielen und Intentionen. Als Beispiel nennt er das Ziel innerhalb von 40 Jahren 100 Länder zu bereisen. Länder lassen sich emotionslos nach und nach abhaken. Demgegenüber versteht Bremer Intentionen als emotionsgeladener, berührender. Wir würden uns weniger von Intentionen abbringen lassen als von Zielen.

Die Unterscheidung ist erstmal bedenkenswert – auch wenn ich die Terminologien für diskussionswürdig halte. Mir fehlt aber der Tiefgang. Hier wäre der Boden bereitet für eine Diskussion von innerem Antrieb und Antrieb basierend auf Status und Belohnung. Obwohl die wissenschaftliche Verankerung fehlt – die Richtung gefällt mir. Aufgeworfene Fragen wie „Was würde ich mit meinem Leben anfangen, wenn es egal wäre, was andere von mir denken?“ halte ich für wichtig. Oder auch hinter Sätzen wie „Energie haben wir, wenn wir das tun, was uns selbst wichtig ist“ oder „Maximale Präsenz ermöglicht maximale Energie“ verbergen sich wichtige Erkenntnisse aus Psychologie und Game Design – nur angesprochen werden sie nicht.

Fazit

Das Buch lässt mich etwas ratlos zurück. Es scheint auf eigene Erfahrungen des Autors zu basieren. Für ein Fachbuch fehlen Rückgriffe auf wissenschaftliche Theorien. Beispielsweise kurvt der Text immer wieder um die intrinsische Motivation herum, ohne sie zu treffen. Für ein Inspirationsbuch fehlt die Kraft der Aussagen. Etwa Stefan Hienes „Aufwachmedizin“ spielt da in einer ganz anderen Liga. Für einen persönlichen Erfahrungsbericht fehlt der persönliche Kontext. So ist ein Buch ohne Alleinstellungsmerkmal entstanden. Was ist das Neue daran? Was hebt es von anderen ab? Auf diese Fragen fand ich keine Antworten.

Weitere Informationen über Christian Bremer

Bücher von Christian Bremer

Christian Bremer: Rein ins Leben, raus aus dem Stress

Enthusiasmus durch Energie

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Über den Autor

Nando Stöcklin

studierte Ethnologie und promovierte in Pädagogik. Beruflich beschäftigte er sich als Forschungsmitarbeiter mit den Auswirkungen der digitalen Transformation und mit Spielen. Er ist überzeugt, dass ein natürliches, gesundes Leben sich genauso magisch anfühlt wie Spielen. Mithilfe des von ihm entwickelten Magie-Mischpults hilft er als Magie-Doktor Menschen zurück in das natürliche Spiel des Lebens.

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