19. Oktober 2018

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Enoch Li ist eine junge erfolgreiche Chinesin aus Hongkong. Mit viel Fleiss und Disziplin hatte sie stets zu den Besten ihrer Klasse gehört. Als Belohnung durfte sie studieren. Da war sie so erfolgreich, dass sie mit 25 Jahren eine Top-Stelle ergattern konnte. Fortan ist sie in der Business-Klasse um die Welt gejettet, hatte mal hier, mal dort gewohnt und sich mit wichtigen Menschen getroffen. Dieses Leben in finanzieller Fülle bot ihr Freiheiten. Sie hatte sich eine Löffelliste angelegt, eine Liste von all den Dingen, die sie in ihrem Leben erleben und sehen wollte: Buenos Aires und Rio de Janeiro besuchen, das nördliche Polarlicht und Eisbären-Junge sehen, Fallschirmspringen und an einer Modeshow teilnehmen. Diese Ziele gaben ihrem Leben einen Sinn, eine Richtung. Einen Punkt nach dem anderen konnte sie abhaken.

Dann kam der Zusammenbruch. Es begann mit heftigen Migränen, die Enoch zwangen, zu Hause zu bleiben. Die Talfahrt endete mit schwerer Depression und einem versuchten Selbstmord. An Arbeit war nicht mehr zu denken.

Enoch Li hat auf die harte Tour erfahren, dass erfolgreich sein nicht glücklich macht.

3 Dinge, die wir von Enoch Li lernen können

Enoch Li verarbeitete ihre Geschichte im englischsprachigen Buch „Stress in the City: Playing my Way out of Depression“. Sie liefert viele Hinweise, was in ihrem Leben falsch lief (und wie sie es mit Spielen wieder zurechtbog – doch dazu später). Dies können wir von ihr lernen:

3 Gründe, weshalb dein Plan, erfolgreich zu werden, dich nicht glücklich macht

1. Kümmere dich nicht darum, was andere von dir erwarten

Enoch Li wuchs in einem Umfeld auf, das alle Klischees chinesischer Erziehung bestätigt. Besonders ihre Mutter wollte stets das Beste für sie. Sie förderte Enoch, wo sie nur konnte und trieb sie immer wieder an – denn Enoch sollte es mal nach oben schaffen. In China werden solche Mütter Tiger-Mütter genannt. Enochs Mutter hatte für sie eine akademische Karriere vorgesehen. Daneben sollte sie den weiteren in China geltenden gesellschaftlichen Ansprüchen genügen, etwa Piano spielen können. 

Das Erfolgsdenken wurde Enoch dadurch von Kindesbein an eingeimpft. Der Wettbewerb war hoch, überall sollte Enoch zu den Besten gehören – denn nur so konnte sie es an die Spitze schaffen. 

Unbemerkt von allen blieb dabei einiges auf der Strecke. Beispielsweise verlor Enoch Li den Bezug zu sich selbst. Sie verdrängte ihre Leidenschaften, denn die waren irrelevant. Es zählte nur Leistung und Erfolg.

Selbst während Enochs Krankheit, trieb ihre Tiger-Mutter sie weiter an und deckte sie mit Vorwürfen ein: 

Warum bist du deprimiert? Was ist los mit dir? Warum bist du so schwach? Es ist ein gutes Unternehmen und du hast einen guten Vertrag. Sie werden sich um dich und deine Familie kümmern! Warum bist du dumm genug, es wegzugeben? Andere würden für deinen Vertrag sterben! Warum bist du nicht stark genug, um das zu überwinden und wieder an die Arbeit zu gehen?Du kannst nicht einfach zu Hause bleiben. Migräne ist nichts...

Deshalb: Schere dich nicht um Erwartungen von anderen. Bleibe bei dir und deinen Leidenschaften.

2. Strebe keine Ziele ausserhalb deiner Lieblingstätigkeit an

Alles was Enoch Li tat, hatte ein einziges Ziel: erfolgreich sein. Was ist „erfolgreich sein“? Eine Antwort finden wir im Buch „Aufwachmedizin“ von Stefan Hiene.

Erfolg ist ein Prinzip, das tief in deinem Wesen angelegt ist.

Das klingt nicht nach etwas Negativem. Wir wollen immer schon mit jeder Handlung erfolgreich sein. Wo also liegt das Problem? Wiederum Stefan Hiene:

«Erfolgreich sein» im klassischen, äußerlich sichtbaren Sinn willst du nur, weil man dir das als Kind als Erfolg verkauft hat.

Genau das ist bei Enoch Li geschehen. Ihr wurde zu verstehen gegeben, dass nicht der natürliche Erfolg beim Spielen Erfolg sei, sondern Leistungen, die sie erwartungsgemäss erfüllt hat. Und das ist das Heikle. Glücklich macht, wenn du Dinge tun kannst, die aus dir selbst entspringen. Wenn du nicht Ziele ausserhalb deiner Lieblingstätigkeit erfüllen sollst. Tue deshalb einfach Aktivitäten, die du der Aktivitäten willen tun möchtest – genau wie beim Spielen. Dann bist du darin mindestens genauso erfolgreich, aber du brennst nicht aus.


3. Höre niemals auf zu spielen!

Das Spielen ist zentral für eine gesunde Entwicklung der Menschen. Lasse dir von niemandem einreden, du sollst aufhören zu spielen, ab sofort müsstest du Leistung erbringen und „erfolgreich“ sein. 

Ein letztes Mal Stefan Hiene:

Man hat dir also die erfolgreiche Lernmethode [das Spielen] weggenommen und dir gesagt, dass du jetzt erfolgreich werden musst, obwohl du es gerade eben während des Spielens noch warst. […] Daran siehst du, dass Erfolg nichts mit äußeren Umständen zu tun hat. Spielen findet in dir statt. Spielen ist eine Haltung, die immer erfolgreich ist.

Zu einer ähnlichen Erkenntnis gelangte auch Enoch Li:

Depressionen sind ein Mentor. Ein Leitfaden, um die innere Verspieltheit zu finden, die ich im Laufe meines Erwachsenwerdens verloren hatte. Spiel macht das Leben erträglich. Spielen ist Denken. Spielen ist eine Sprache. Spiel ist Selbsterkenntnis. Mögen die Erwachsenen wieder lernen, verspielt zu sein. Mögen Kinder nie ihre Spielfähigkeit verlieren. Und mögen Eltern nicht die Spielfreude ihrer Kinder schwächen. Für eine mental gesunde Welt.

Spielen – der Weg aus der Depression

Enoch Li’s Weg zurück ins Leben begann mit einem Zufall: Sie kaufte sich einen Teddybären. Eines Tages schlug ihr Freund vor, sie könnten nach draussen gehen und den Teddybären mitnehmen. Er stellte den Teddybären hin und sagte, er wolle Fotos von ihm machen. Es war ein kalter Wintertag. Enoch meinte, der Bär hätte bestimmt kalt, deshalb setzte sie ihm einen Hut auf und kleidete ihn ein. Daraus entstand ein Spiel und Enoch Li’s Selbstmordgedanken rückten für einen Moment in den Hintergrund. 

Sie kaufte weitere Teddybären und spielte immer häufiger mit ihnen.

Mit diesen Teddies konnte ich mich selbst im Spiegel klar sehen. Ich teilte die Teile ab, die ich an mir selbst nicht mochte, und legte sie in Spielzeugbären. Ich spielte, schuf Geschichten, sah die Welt durch ihre Augen, analysierte mich selbst und stellte mich meinen Schatten. Ich sah mich dem gegenüber, was ich an mir selbst nicht mochte. Es geht nicht so sehr darum, die sogenannten "schlechten" Teile von mir selbst wegzuwerfen. Stattdessen umarme ich jetzt diese Teile von mir, die ich nicht mag. Ich habe mein ideales Selbst mit meinem wahren Selbst verschmolzen. Es ist nicht das glitzernde Bild, das die meisten gerne sehen würden, aber es ist echt. Also, warum scheuen Sie sich vor der Realität? Der wichtigste Schritt war, diese Teile wieder zu integrieren und zu verstehen, dass sie alle ich sind. All diese verschiedenen Bären waren unzählige Facetten dessen, was ich war, und machten mich zu einem einzigartigen Individuum.

Durch das Spielen kam Enoch Li wieder auf die Beine. Sie studierte Organisationspsychologie und bietet heute für Unternehmen eine Theorieform an, die sie angelehnt an die Teddybären „Bearapy“ nennt.

Bücher von Enoch Li

Enoch Li: Stress in the City

Having grown up in Hong Kong and Australia and educated in France, Enoch Li always had international aspirations. By her 28th birthday, she had achieved everything she had ever laboured toward. Her mum was speechlessly proud of her financial earnings, she had a supportive and loving romantic partner, and she had lots of friends who adored her. So why did she feel as though something was missing? One could hardly guess that a strong, successful young woman who travelled the world, lived in multiple cities, had a high paying salary and had rocketed up the corporate ladder, would one day crumble to pieces, so hopeless and devastated that she believed life was no longer worth living. In Stress in the City, Enoch Li shares her experiences at the top of the corporate game, reflects on the warning signs she refused to see, and documents her journey back from the edge through the rediscovery of her inner child. Enoch also discusses how companies can help their executives be mentally and emotionally well through her research into the psychology of playfulness, workplace burnout, and company culture. You might just find that the toys around us may be more meaningful than you think!

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Über den Autor

Nando Stöcklin

studierte Ethnologie und promovierte in Pädagogik. Beruflich beschäftigte er sich als Forschungsmitarbeiter mit den Auswirkungen der digitalen Transformation und mit Spielen. Er ist überzeugt, dass ein natürliches, gesundes Leben sich genauso magisch anfühlt wie Spielen. Mithilfe des von ihm entwickelten Magie-Mischpults hilft er als Magie-Doktor Menschen zurück in das natürliche Spiel des Lebens.

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Kommentare

  • Hi, I put your blog post into Google Translate and read what you wrote. I’m really touched you found my book worth writing about, and I also found your distillation of the reflections very inspiring and succinct and eloquent. Thank you again for taking the time. I really appreciate it.
    Best and bear hugs
    Enoch

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