6. Dezember 2022

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Spielen ist die Aktivität, bei der Menschen am glücklichsten sind, am effektivsten lernen, ein gesundes Selbstvertrauen entwickeln, Erlebtes verarbeiten und vieles mehr. Beim Spielen entsteht eine ganz besondere Magie.

Spielen ist das vielleicht grösste Geschenk der Natur an die Menschen und Tiere. Doch was macht die Magie des Spielens aus? Schaffen wir es, dieses Geheimnis zu lüften, hätten wir gleichzeitig das Geheimnis für das Glücklichsein entdeckt – und für Vieles mehr! Also ran an den Tofu!

Meine These:

Spielen ist ein riesengrosses Geschenk der Natur an die Menschen und Tiere.

Eigenschaften von Spielen

Die Forscher sind sich uneins, was Spielen ist. Eine Aktivität. Aber welche Art Aktivität? Lass uns zuerst einige Spiele sammeln:

  • Fussball
  • World of Warcraft
  • Räuber und Gendarm
  • Musikspiel
  • Bach stauen
  • Liebesspiel
  • Auf den Baum klettern
  • Schauspiel

Das dürfte reichen. Was ist all diesen Tätigkeiten gemein?

Spielen ist individuell

Magst du all diese Tätigkeiten? Oder ist eine dabei, die du nur widerwillig tun würdest? Die sich für dich nicht spielerisch, sondern eher wie eine lästige Pflicht anfühlt?

Das ist eine wichtige Erkenntnis: Was für dich ein Spiel ist, muss für mich nicht zwingend eines sein. Ein und dieselbe Tätigkeit können ein Spiel sein, aber auch nicht.

Nicht die Tätigkeit ist entscheidend, sondern welchen Bezug du dazu hast. Nur du bestimmst, was für dich ein Spiel ist.

Das scheint mir die erste Zutat des Spiels: Es sind individuelle Tätigkeiten.

Spielen ist freiwillig

Lass uns mal den grössten Spielexperten zuschauen – den Kindern. Zuweilen spielen sie verblüffende Spiele. Beispielsweise spielen sie putzen. Dann sausen sie mit dem Staubsauger durch die Wohnung und sind bei diesem Spiel richtig nützlich.

Ist doch super, denke ich als Vater zwei Wochen und eine fette Staubschicht später und trage meinem Kind auf, Staub zu saugen – wenn es diese Aktivität schon so gerne tut. Doch das Kind weigert sich. Was zum Kuckuck! Kürzlich konnte das Kind kaum genug kriegen davon.

Etwas hatte ich übersehen: Wenn jemand spielen muss, ist das Spiel bereits vorbei. Spielen kann man nur freiwillig oder gar nicht.

Das dürfte die zweite Zutat des Spiels sein: Es ist eine freiwillige Tätigkeit.

Spielen ist zweckfrei

Mein Nachbar ist mir da eine Nasenlänge voraus. Er hat sein Kind bewusst nicht angewiesen Staub zu saugen. Er hat nur ein wenig nachgeholfen durch Bemerkungen wie: "Hm, da liegt aber wieder viel Staub. Wie lange ist es her, als Kevin so toll den Staub gesaugt hat?" Diese – nennen wir's beim Namen: manipulativen – Bemerkungen hatten Erfolg. Kevin schnappt sich das Gerät wieder und saust durch die Wohnung. Doch im Spiel übersieht er die eine oder andere Ecke. Mein Nachbar weist Kevin darauf hin. Und nun ist auch bei Kevin der Ofen aus. Er schmeisst den Staubsauger hin und schnappt sich frustriert das Tablet mit seinen Spielen drauf.

Was ist geschehen? Mein Nachbar hat die dritte Zutat des Spiels übersehen: Spielen ist eine Tätigkeit, bei der die Motivation im Spiel selbst drin liegt. Sobald das Spiel korrigiert wird, ist das ein Zeichen, dass da noch ein anderes Ziel dabei war als nur Spass zu haben.

Spielen ist herausfordernd

Noch besser macht es der Nachbar des Nachbarn. Er überlässt es ganz seinem Kind, ob es staubsaugen möchte oder nicht. Tatsächlich tut es das während einer Phase immer wieder. Dem Nachbarn des Nachbarn fällt auf, dass das Kind das Spiel immer anders spielt. Zuerst stellt es den Staubsauger an, wischt ganz wenig und stellt wieder ab. Dann wieder von vorne. Ein anderes Mal versucht es mit dem Staubsauger so weit zu kommen, wie das Stromkabel es zulässt. Und ein drittes Mal setzt es sich kurzerhand auf den Sauger und versucht so zu saugen. Und irgendwann rührt es den Staubsauger gar nicht mehr an.

Die Spielmöglichkeiten mit dem Staubsauger sind erschöpft. Zumindest für den Moment. Vielleicht entdeckt das Kind später, wenn es sich weiterentwickelt hat, ein neues Spiel . Zum Beispiel Staubsauger-Weitwurf.

Jedenfalls scheint ein Spiel nicht einfach eine Tätigkeit zu sein. Sondern eine Herausforderung. Also eine Tätigkeit, die weder unter- noch überfordert.

Definition des Spiels

So hat sich eine ganz persönliche Definition ergeben: Ein Spiel ist eine individuelle, freiwillig angepackt Herausforderung, deren Ziel in der Herausforderung selbst liegt. Oder etwas kürzer: 

Ein Spiel ist eine selbstbestimmte Herausforderung, deren Ziel in der Herausforderung selbst liegt.

Das Geheimnis hinter der Magie des Spiels

Spielen ist wichtig!

Bereits die jetzigen Überlegungen helfen uns, unser Leben so zu gestalten, dass es sich erfüllend anfühlt. Wir brauchen bloss möglichst oft Tätigkeiten anzupacken, die sich herausfordernd anfühlen, die wir selbst wählen und die kein Ziel haben, ausser dass wir die Tätigkeit einfach lieben.

In diesem Artikel habe ich ausführlich beschrieben, wie du spielerisch ein glückliches Leben führen kannst.

Wie eingangs erwähnt, hat Spielen aber noch viele positive Effekte mehr. Beispielweise lernen wir beim Spielen am besten und nachhaltigsten. Siehe dazu mein Blog-Artikel "Wie Kinder spielerisch lernen und erst noch glücklich sind".

Du willst noch mehr Gründe, weshalb Spielen so wichtig ist? Hier habe ich 10 Gründe für die Wichtigkeit des Spiels zusammengestellt. Weitere gibt es im Buch "Faszination Spiel" von Sabine Weinberger und Helga Lindner.

Doch das ist nur der Anfang. Kürzlich kam mir beim Schreiben des Buches "Spiel dein Leben – über die Leichtigkeit des Lebens" eine Erkenntnis, die so heftig war, dass sie mir die Tränen in die Augen trieb. Lass uns also noch tiefer eintauchen in die Suche nach dem Geheimnis für die Magie des Spiels.

Die Magie des Spielens

Kevin... nein, lass uns mal ein anderes Kind nehmen. Nennen wir es Marie. Marie schlingt sich gerade Seidentücher um den Leib. Dann stülpt sie sich einige Armreifen über den Arm und springt anschliessend nach draussen. Im Blumenbeet stibitzt sie einige Blumen, flechtet sie zu einem Kranz und setzt sich diesen auf den Kopf. Sie liebt es, sich als Prinzessin zu verkleiden.

Sie ist so vertieft, dass sie nicht hört, wie ihr Bruder – nennen wir ihn Kevin – drüben in der Garage wie wild hämmert. Gestern hat er Zimmerleute bei der Arbeit beobachtet. Nun drängt es ihn, auszuprobieren, wie es sich anfühlt, Zimmermann zu sein. Auch er ist völlig vertieft und hört nicht, wie die Mutter zum Abendessen ruft.

Eine erste Spur: Flow-Zustand

Der Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi beschäftigte sich intensiv mit dem Flow-Zustand. Er nennt drei Komponenten, die zusammentreffen müssen, damit dieser Zustand grösster Vertiefung eintreten kann.

Zuerst einmal braucht es eine Tätigkeit, die weder unter- noch überfordert, sondern – wie das Spiel – herausfordert. Zum Zweiten braucht es unmittelbare Rückmeldungen, damit die Person jederzeit genau weiss, wo sie steht. Und zum Dritten braucht es etwas Unvorhersehbares. Letzteres ist wichtig, um Spannung zu erzeugen. Stell dir ein Fussballspiel vor, bei dem jeder Pass, jeder Schuss genau berechenbar wäre. Wir wüssten bereits vor dem Match, dass das Spiel 4:1 ausgehen würde. Die Spannung wäre weg und niemand käme ihn Flow.

Flow ist der Zustand, in dem Menschen beim Spielen sind. Ein Zustand grössten Vertiefens ins Tun. Ein Zustand, in dem wir gewissermassen mit unserem Tun verschmelzen.

Trance – Bewusstsein ist mit Unterbewusstsein verbunden

Letztlich ist Flow ein Trance-Zustand, bei dem das Bewusstsein mit dem Unterbewusstsein an einem bestimmten Punkt verbunden ist. Das Bewusstsein ist reduziert auf diesen Punkt – also die Handlung des Spiels – alles daneben wird ausgeblendet. Genauso ist es mit dem Unterbewusstsein. Dank der Verbindung zum Unterbewusstsein können Marie und Kevin Dinge tun, die sie noch nie getan haben, ohne dass jemand mit entsprechender Erfahrung sie anleitet. Sie können von der Zukunft lernen – wie der MIT-Professor Otto Scharmer es in seiner Theorie U nennt. Das Unterbewusstsein speist aber auch die Inspiration. Im Tun entstehen Ideen wie aus dem Nichts.

Spielen ist also ein Zustand, in dem nicht wie üblich das Bewusstsein dominiert, sondern das Bewusstsein und das Unterbewusstsein in Harmonie auf Augenhöhe zueinander stehen, in Balance sind.

Realität und Fantasie reichen sich die Hände

Marie ist tief in ihrer Rolle als Prinzessin versunken. Sie spricht erhaben wie eine Prinzessin. Sie nippt vornehm an einem Tässchen, das in ihrer Fantasie golden ist. Sie weist ihre Puppe zurecht, die in ihrer Vorstellung ihre Zofe ist.

Und Kevin? Gerade tritt er etwas von seinem Werk zurück, legt den Kopf schräg, kneift die Augen zusammen und betrachtet seinen Bau kritisch. "Dieser Pfosten ist noch etwas schräg", meint er und zieht den rechten Mundwinkel etwas runter, wie der Zimmermann das auch getan hat, den er gestern beobachtet hat. Kevin IST der Zimmermann.

Trotzdem findet ihr Handeln in der Realität statt. Es ist eine echte Dachlatte, die Kevin gerade richtet, eine echte Puppe, mit der Marie spielt. Die Realität und die Fantasie sind in Balance.

Lernen, was die Herausforderung hergibt

Bereits zwei Dinge, die in Balance sind. An dieser Stelle fällt mir etwas ein: Zuvor hatten wir doch bereits etwas, was in Balance war. Stimmt, der Schwierigkeitsgrad! Spielen ist eine Tätigkeit, die weder unter- noch über- sondern herausfordert. Bei einer Herausforderung ist der Schwierigkeitsgrad ausbalanciert.

Was ist überhaupt eine Herausforderung? Letztlich ist eine Herausforderung eine Tätigkeit, bei der das Können mit dem Nicht-Können in Balance ist. Bei einer unterfordernden Tätigkeit dominiert das Können, bei einer Überforderung das Nicht-Können. Wenn das Können mit dem Nicht-Können in Balance ist, ist das der perfekte Zustand um zu lernen, wachsen, sich weiterentwickeln.

Sobald gelernt ist, was die Herausforderung hergibt, wird das Nicht-Können zum Können und das Spiel ist vorbei – denn dann fordert die Tätigkeit nicht mehr heraus, sondern unterfordert und langweilt.

Tue was du liebst

Auf der Suche nach weiteren Dingen, die in Balance sind, kehren wir zurück zu unserer Spieldefinition: Ein Spiel ist eine selbstbestimmte Herausforderung, deren Ziel in der Herausforderung selbst liegt. Die Herausforderung haben wir betrachtet. Wie sieht's mit der Selbstbestimmung aus? Etwas selbstbestimmt zu tun bedeutet, dass das, was ich tue, in Übereinstimmung ist mit dem, was ich tun will. Das fühlt sich stimmig an.

Gleichzeitig spiele ich einfach aus Freude, es gibt keine weiteren Ziele daneben. Auch das bestätigt: Das Wollen ist in Balance mit dem Tun.

Traumpaar: Sicherheit und Unsicherheit

Gut soweit. Dann lass uns auch nochmals zur Flow-Theorie zurückkehren. Da gab es ja drei Komponenten: Die Herausforderung, das Unbekannte und die unmittelbare Rückmeldung. Die Herausforderung haben wir bereits abgehakt. Wie sieht es mit dem Unbekannten aus?

Kürzlich mussten Marie und Kevin mit ihren Eltern spazieren. Boah, wie langweilig! Plötzlich fiel Marie ein Spiel ein: Auf dem Boden fliesst heisse Lava und sie dürfen es auf keinen Fall berühren. So balancieren sie auf dem Randstein, klettern auf angrenzende Mäuerchen, springen von Stein zu Stein.

Aus einer langweiligen – also einer unterfordernden – Tätigkeit wurde eine Herausforderung. Gleichzeitig gibt es klare Spielregeln. Regeln geben Halt. Sicherheit. Somit ist auch das Unbekannte eingegrenzt. Es reduziert sich auf bestimmte Herausforderungen, auf die sie stossen können: Schaffen sie es, auf dem Randstein zu balancieren? Auf die Mauer zu klettern? Von Stein zu Stein zu hüpfen?

Genauso ist es zum Beispiel beim Tennisspiel. Zwar kann Roger Federer nicht genau wissen, wo der Ball beim Aufschlag seines Gegners auftrifft. Er weiss aber, dass der Ball im diagonal gegenüberliegenden Feld landen wird und kann sich entsprechend positionieren.

Spielregeln geben Sicherheit und jedes Spiel hat Spielregeln, auch wenn sich diese im freien Spiel jederzeit verändern können.

Die Sicherheit ist in Balance mit der Unsicherheit. Wäre die Sicherheit dominant, wäre das Spiel unspannend, weil es zu wenig Raum zur Entfaltung bietet. Würde die Unsicherheit dominieren, wäre das Spiel zu unberechenbar und verlöre ebenfalls seinen Reiz.

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Alt und neu kombiniert

Übertragen wir die Sicherheit und die Unsicherheit auf unser Tun, landen wir bei Routine und dem Unbekannten. Wir tun eine Tätigkeit so lange, bis wir sie gewissermassen im Schlaf beherrschen. Das lässt sich am Beispiel des Autofahrlernens verdeutlichen. Zuerst sind wir so mit Gas geben, Bremsen und Schalten beschäftigt, dass unsere Aufmerksamkeit kaum ausreicht, um Schilder oder Wegweiser zu beachten. Doch nach und nach treten die Füsse die Pedalen wie von alleine und die Hände rütteln ganz automatisch am Schalthebel. Wir haben Routine gewonnen.

Routine ist Fluch und Segen gleichermassen. Segen, weil sie einst herausfordernde Aufgaben plötzlich einfach werden lässt. Segen, weil sie die Spannung aus der Aktivität rausnimmt.

Beim Spielen ist die Routine in Balance mit dem Unbekannten, das Alte mit dem Neuen. Ein Teil ist für uns alt, bekannt; ein Teil neu, unbekannt. Das ist der perfekte Nährboden, um zu lernen.

Spielregeln stabilisieren das Spiel

Sicherheit verleiht Stabilität, Unsicherheit führt zu Flexibilität. Ein Spiel ist also ein System, das so flexibel ist wie möglich, ohne die Stabilität zu verlieren. Wie ein Ballon, den wir so weit aufblasen, bis er platzt. Wird das Spiel zu chaotisch, platzt es. Dann müssen weitere Spielregeln eingeführt werden, um das System zu stabilisieren.

Das Spiel gehört wesentlich zu dieser Welt. Seine Regeln garantieren das erforderliche Maß an Ordnung, der Zufall ermöglicht die Freiheit. Wir brauchen beides: Die Verlässlichkeit der Regeln und die Freiheit des Zufalls. So können wir unser Leben gestalten - und hoffentlich auch genießen.

– Lorenz Marti

Dem inneren Kompass vertrauen

Sicherheit, Routine und Stabilität geben uns das Gefühl, die Situation kontrollieren zu können. Gemäss den Grundsätzen des Spiels streben wir aber auch nach neuen Situationen, denn Routine langweilt schnell mal. Das braucht Vertrauen.

Ich zementiere weiter fröhlich die industrielle Sicht, dass Spielen etwas für Kinder ist. Diesmal ziehe ich zur Illustration die ganz Kleinen heran.

Mia feiert gerade ihren ersten Geburtstag. Sie spielt in der Nähe des Sofas und zieht sich hoch. Dort beobachtet sie, wie ihre Mutter einen wunderschönen Kuchen auf den Esstisch stellt. Einem Impuls folgend watschelt sie hinüber zum Tisch. Die Mutter ist ganz aus dem Häuschen, denn das waren die ersten freien Schritte!

Mia hat in dem Moment eine innerliche Verbindung gefühlt zur Herausforderung, zum Tisch zu gehen. Sie hat ihrem inneren Kompass vertraut. Intuitiv hat sie vertraut, dass der Zeitpunkt zum Gehen für sie richtig ist.

Beides ist wichtig: Kontrolle – in diesem Fall Kontrolle über Mias Körper, später vielleicht eher Kontrolle von Werkzeug oder Prozessen – aber auch Vertrauen, dass die Aufgabe genau richtig ist für den Moment. Kontrolle und Vertrauen sind in Balance.

Ohne Verbissenheit das Beste aus der Situation machen

Diese Balance von Kontrolle und Experimentieren manifestiert sich in der Haltung der Spielenden. Zum einen sind Spielende mit einem tiefen Ernst dabei. Zum anderen aber auch mit einer ausgeprägten Lockerheit.

Die Lockerheit rührt daher, dass es kein Ziel neben der Herausforderung selbst gibt. Spielende müssen niemandem etwas beweisen. Sie müssen der Tätigkeit nicht ihren absoluten Willen aufzwingen, was totale Kontrolle bedeuten würde. Zugegeben, es gibt Spielende, die das versuchen. Die unbedingt gewinnen wollen. Und richtig wütend werden, wenn sie es nicht schaffen. Aber spielen die wirklich? Nein, ihr Fokus liegt nicht darauf, einfach Freude an der Tätigkeit zu haben, sondern bei ihrem Status. Das sind typische Ausprägungen der industrialisierten Wettbewerbsgesellschaft.

Aus der Situation das Beste machen, aber akzeptieren, was daraus entsteht, das ist die Haltung der Spielenden, bei der der Ernst in Balance ist mit der Lockerheit.

Gefühle sind Ausdruck der Persönlichkeit

Kognition meint, über die Sinne wahrzunehmen und die Informationen geeignet zu verarbeiten. Das ist ein wichtiger Teil des Spielens. Doch auch die Gefühle sind im Spiel aktiviert und genauso wichtig. Das ist mit ein Grund, weshalb das Lernen über das Spielen allen anderen Lernarten haushoch überlegen ist. Denn erst Emotionen verankern das Gelernte nachhaltig in unserem Gehirn. Es braucht die Symbiose von Kognition und Gefühlen.

Fehlen die Emotionen, kann ich zwar etwas lernen, aber ich vergesse es gleich wieder. Weshalb? Der persönliche Bezug fehlt. Sobald mich etwas wirklich brennend interessiert, berührt es mich. Erst dann spüre ich Emotionen. Und genau diese Emotionen spüren wir beim Spielen, weil da der persönliche Bezug gegeben ist. Die Emotionen sind in Balance mit der Kognition (ich verwende hier Gefühle und Emotionen synonym, Vivian Dittmar hat sie in ihrem Buch "Gefühle & Emotionen" säuberlich getrennt).

Zwischenfazit: Spielen ist der Zustand perfekter Balance

Das ist schon ziemlich heftig. So vieles muss in Balance sein, damit ein Spiel entsteht – und trotzdem kann das jedes Kind (in der mechanistisch-pathologen Gesellschaft besser als die Erwachsenen). Zusammenfassend hier die neun Balanceakte:

  • Das Bewusstsein und das Unterbewusstsein sind in Balance.
  • Die Realität und die Fantasie sind in Balance.
  • Das Wollen und das Tun sind in Balance.
  • Die Sicherheit und die Unsicherheit sind in Balance.
  • Die Routine, das Bekannte und das Unbekannte sind in Balance.
  • Die Stabilität und die Flexibilität sind in Balance.
  • Die Kontrolle und das Vertrauen sind in Balance.
  • Der Ernst ist in Balance mit der Lockerheit.
  • Die Emotionen/Gefühle sind in Balance mit der Kognition.

Welch gewaltige Schatzkiste!

Und, was soll ich jetzt damit, denkst du vielleicht? Ganz einfach: Ab sofort kannst du die neun Schieberegler einfach so ausmitten, bis sie passen. Das ist ein genialer Werkzeugkasten!

Ich will das an zwei Beispielen veranschaulichen.

Zähneputzen mit Pep!

Hans, der Vater von Marie und Kevin, ist überfordert. Denn was bislang niemand wusste: Marie und Kevin haben noch einen kleinen Bruder, Luca, und der weigert sich, seine Zähne zu putzen. Hans wird immer ohnmächtiger und mit der Ohnmacht steigt seine Wut. Iris, seine Frau hört ihn immer lauter schreien und eilt herbei. Sie nimmt die Zahnbürste und wendet sich Luca zu. "Was schaut denn da aus deinem Mund heraus", sagt sie. "Ist das etwa ein Ohr? Lass mal gucken." Luca öffnet den Mund. "Das ist doch, hm, das muss ein Elefant sein. Was macht denn der Elefant in deinem Mund! Der muss raus! Komm, wir putzen den raus." Sie putzt Luca die Zähne und damit ein Tier nach anderem aus dem Mund und Luca gluckst vor Vergnügen.

Die Situation fühlte sich zu ernst, zu verbissen an. Also schob Iris den Schieberegler weiter in Richtung Lockerheit, bis es passte.

Magie-Mischpult

Launch mit Pop!

Kommen wir zum zweiten Beispiel. Nehmen wir hier den übernächsten Nachbarn vom Nachbarn des Nachbarn. Der heisst – logo! – Nando.

Nando will ein neues Angebot lancieren. Ein geniales Programm, in dem Menschen sich ihren Traumjob designen können. Etwas ist für dieses Gruppenprogramm entscheidend: Es muss eine Gruppe her! Also weist Nando in den Sozialen Medien wie ein Verrückter auf sein geniales Programm hin. Doch es gibt so gut wie keine Likes und entsprechend werden die Posts bald gar nicht mehr weiter verbreitet. Sie versanden. Nando ist verzweifelt. Es geht ihm miserabel. Sein Leben fühlt sich alles andere als spielerisch an, obwohl er sich dem spielerischen Leben verschrieben hat.

Doch plötzlich hat er einen befreienden Einfall: Er schaut sich das Magie-Mischpult mit den Schiebereglern an. Und realisiert, dass gleich zwei Regler falsch eingestellt sind. Nämlich derselbe wie bei Hans, der Lockerheit-Ernst-Regler und zum zweiten der Kontrolle-Vetrauen-Regler. Er erinnert sich, weshalb er das Programm gerade jetzt anbieten wollte: Weil er einem inneren Impuls gefolgt ist. So beginnt er wieder, seinem inneren Kompass zu vertrauen, statt die Situation kontrollieren zu wollen. Somit verschiebt er den Kontrolle-Vertrauen-Regler etwas in Richtung Vertrauen. Der Lockerheit-Ernst-Regler bewegt sich in der Folge ganz alleine in Richtung Lockerheit. Und tatsächlich: Überall poppten Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf und es ergibt sich eine tolle Gruppe, die sich gemeinsam auf den Weg zum Traumjob machen.

Boah – es geht noch tiefer!

So, das war die erste Stufe, gleich zündet die zweite, denn die Suche nach dem Geheimnis hinter der Magie des Spielens bietet noch mehr!

Wie? Lass uns die neun Regler kategorisieren.

Da sind Regler, die die Verbindung der spielenden Person zu sich selbst beschreiben

  • Das Wollen und das Tun sind in Balance.
  • Der Ernst ist in Balance mit der Lockerheit.
  • Die Emotionen sind in Balance mit der Kognition.

Dann gibt es Regler, die die Beziehung der spielenden Person mit der Welt beschreiben:

  • Das Bewusstsein und das Unterbewusstsein sind in Balance.
  • Die Realität und die Fantasie sind in Balance.
  • Die Kontrolle und das Vertrauen sind in Balance.

Einige Regler bleiben übrig:

  • Die Sicherheit und die Unsicherheit sind in Balance
  • Das Bekannte und das Unbekannte sind in Balance.
  • Die Stabilität und die Flexibilität sind in Balance.

Ihnen gemeinsam ist die Ausdehnung des Systems bis an die Grenzen des entstandenen Möglichkeitsraums. Die Spielenden als Teil des Systems dehnen sich ebenfalls weiter, entwickeln sich weiter und lernen.

Das ergibt eine Definition des Spiels die viel weiter geht als die erste:

Spielen ist eine Aktivität, in der Spielende in Verbindung sind mit sich und mit der Welt und sich ausdehnen.

Spielen ist – der Zustand perfekter Balance

Letztlich ist Spielen der eine winzige Punkt im Universum, in dem all die Regler perfekt ausgerichtet sind.

Nicht nur die Regler sind in perfekter Balance, sondern auch die Spielenden. Als Spieler bin ich in Balance mit dem Universum, mit der Welt. Und ich entwickle mich weiter.

Das Ich ist verbunden mit der Welt und dehnt sich aus, soweit das aktuell möglich ist. Ist keine Ausdehnung mehr möglich, ist das Spiel vorbei und macht einem neuen Spiel Platz. Nebenbemerkung: Die Verbindung nennt sich – Liebe.

Erkennst du die Grösse des Spiels? Spielen ist nichts anderes als – Leben! Das lebendige Leben! Denn das Leben entsteht aus dem Ganzen, ist Teil von ihm und will wachsen, bis es wieder zurückgeht ins Ganze.

Wir kamen nicht zur Welt, sondern die Welt brachte uns hervor. Wir sind ein Teil des Ganzen. Alles ist miteinander verbunden, beeinflusst einander.

– Lorenz Marti

Spielen heisst, bei sich sein. Dann ist man automatisch Eins mit dem Ganzen und das fühlt sich lebendig an.

Spielen ist die Natur in Aktion

3 psychische Grundbedürfnisse

Wenn ich mir die drei Komponenten des Spiels betrachte – die Verbundenheit mit sich, die Verbundenheit mit der Welt und das Bedürfnis, zu wachsen – dann stockt mir der Atem. Denn es gibt eine wissenschaftlich breit abgestützte Theorie, die Selbstbestimmungstheorie. In einem Teil davon sind drei psychische Grundbedürfnisse des Menschen definiert. Diese sind folgende:

  • Menschen möchten das Gefühl haben, autonom handeln zu können.
  • Menschen möchten sozial eingebunden sein.
  • Menschen möchten das Gefühl nach Kompetenz erfahren.

Welche Parallele! Das Streben nach Autonomie betont die Verbundenheit mit dem Ich. Das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit die Verbundenheit mit der Welt. Und das Gefühl nach Kompetenz deckt sich mit dem Bedürfnis, sich auszudehnen, zu wachsen.

Das bedeutet nichts anderes, als dass beim Spielen die drei psychischen Grundbedürfnisse befriedigt sind! Kein Wunder fühlt sich Spielen so erfüllend an.

Bedingungen für das Glücklichsein

Es gibt eine wunderbare Lehrveranstaltung zum Glücklichsein, die kostenlos auf Coursera besucht werden kann.

Da fällt mir zweierlei auf:

  • Es gibt unheimlich viele Faktoren, die zum Glücklichsein beitragen.
  • Etliche Faktoren umschreiben eine perfekte Balance zwischen zwei Polen.
Pin Spielen ist das Geheimnis zum Glücklichsein

Optimaler Stimulationspegel

Beispielsweise gibt es einen idealen Punkt zwischen Dingen, die Angst einjagen und die langweilen. Nicht Vorhersehbares und Unsicherheiten, steigern das Glücksgefühl, jagen aber auch Angst ein, wenn es zu viel wird. Für das Glücksgefühl ist eine ideale Balance zwischen Altem, Bekanntem und Neuem, Unbekanntem hilfreich. Bei uns finden wir mehrere Regler, die dem entsprechen:

  • Die Routine und das Unbekannte sind in Balance, das Alte mit dem Neuen.
  • Die Sicherheit und die Unsicherheit sind in Balance.
  • Die Kontrolle und das Vertrauen sind in Balance.

Sichere Bindung

Weiter sollten wir eine Balance finden zwischen bedürftig und vermeidend sein. Das klingt etwas abstrakt, meint aber einfach, dass wir uns weder zu sehr anpassen sollten, um geliebt oder zumindest akzeptiert zu werden, noch uns zu sehr absondern sollten. Die ideale Balance ist da, wo wir ganz bei uns sind und uns gleichzeitig als Teil der Welt wahrnehmen. Genau das ist beim Spielen der Fall. Wir sind verbunden mit dem Ich und verbunden mit der Welt.

Idealer Kontrolllevel

Wir sollten eine ideale Balance finden zwischen Kontrolle und Loslassen. Haben wir ein übermässiges Bedürfnis, Dinge zu kontrollieren führt das zu Stress und Einsamkeit (wir müssen ja auch das Verhalten Anderer kontrollieren, damit wir unsere Interessen durchsetzen können – dadurch machen wir uns unbeliebt). Wollen wir zu wenig kontrollieren, werden wir zum Spielball von anderen, was ebenfalls unglücklich macht. Unser Regler: Die Kontrolle und das Vertrauen sind in Balance.

Intelligentes Vertrauen

Die Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen spiegelt sich auch in diesem Faktor für das Glücklichsein wider. Wir sollten einen idealen Level finden, um anderen zu vertrauen. Grundsätzlich führt Vertrauen zu Glücksgefühl. Wir fühlen uns wohl, wenn wir anderen vertrauen. Gleichzeitig öffnet blindes Vertrauen Tür und Tor, um über den Tisch gezogen zu werden.

Kleiner Tipp: Studien zeigen, dass wir zu sehr misstrauen, denn unsere Mitmenschen sind vertrauenswürdiger, als wir denken. Das hängt damit zusammen, dass Massenmedien vor allem über Negatives berichten, über Menschen, die anderen schaden. Somit können wir einfach etwas mehr vertrauen als der Durchschnitt das tut, dann sind wir ziemlich nahe beim idealen Level.

Beim Spielen brauchen wir uns diesbezüglich keine Gedanken zu machen, da ist Vertrauen und Kontrolle ohnehin in Balance – allerdings geht es da eher um das Vertrauen ins Leben, in eigene Fähigkeiten, in den inneren Kompass.

Flow ist Balance

Und nicht zuletzt führt das Flow-Gefühl zu einem Glücksgefühl. Beim Spielen haben wir dieses Flow-Gefühl. Wir verschmelzen mit unserem Tun. Die Balance des Flow-Zustands widerspiegelt sich in fast allen Reglern.

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Was noch?

Welche Regler habe ich übersehen? Welche Dinge sind beim Spielen sonst noch in Balance?

Ich freue mich über deine Kommentare.

Über den Autor

Nando Stöcklin

studierte Ethnologie und promovierte in Pädagogik. Beruflich beschäftigte er sich als Forschungsmitarbeiter mit den Auswirkungen der digitalen Transformation und mit Spielen. Er ist überzeugt, dass ein natürliches, gesundes Leben sich genauso magisch anfühlt wie Spielen. Mithilfe des von ihm entwickelten Magie-Mischpults hilft er als Magie-Doktor Menschen zurück in das natürliche Spiel des Lebens.

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