14. Februar 2025

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Wer mehrere Kinder hat, ist vielfach erstaunt, wie unterschiedlich sie veranlagt sind und in welch unterschiedlichem Tempo sie sich entwickeln. Wann dreht sich das Kind zum ersten Mal um? Wann kann es gehen? Wann entdeckt es den Baum draussen auf der Wiese als Kletterparadies? Und was fasziniert das Kind? Kurz: Jedes Kind ist einzigartig – was bedeutet das für die Umsetzung des Rechts auf Bildung?

Zwei phänomenale Werkzeuge der Natur

Alle Menschen haben von der Natur zwei Werkzeuge mit auf den Weg erhalten, um ihre ganz individuellen Veranlagungen und Talente zu entwickeln.

Zum einen haben sie einen ganz individuellen Entwicklungsplan, der vorgibt, was die Kinder wann entwickeln können. Gewissermassen der natürliche Lehrplan.

Doch wie weiss ein Kind, was als Nächstes aus ihm entwickelt werden will? Nebst dem Entwicklungsplan erhalten wir Menschen ein weiteres nützliches Werkzeug mit auf den Weg: Die Fähigkeit zu spielen. Und das ist entscheidend, denn wer spielt, lebt das, was aktuell aus diesem Menschen gelebt werden will.

Spielen heisst lernen und innerlich wachsen

Spielen bedeutet Herausforderungen aus einem inneren Drang anzupacken, einfach aus Freude an der Herausforderung.

Von aussen betrachtet können Spiele ganz und gar unproduktiv erscheinen. Doch aus Sicht des inneren Entwicklungsplans ergibt das Spiel immer Sinn, weil durch das Spiel das geübt und gelebt wird, was gerade bereit ist, entwickelt zu werden.

Grafik: Spielen als Werkzeug, um nach dem inneren Entwicklungsplan zu leben

Jeder Mensch wird mit einem inneren Entwicklungsplan geboren, der sich natürlich entfaltet, wenn er spielt. Jede Leistungsanforderung von aussen lässt ihn von sich und seinem inneren Entwicklungsplan entfernen, was zu einer verminderten Entfaltung der Veranlagungen führt.

Wie funktioniert dieses wunderbare Zusammenspiel von Entwicklungsplan und Spiel? Wer spielt, packt eine Herausforderung aus einem inneren Drang an. Und der innere Drang wird aus dem inneren Entwicklungsplan gespeist.

Spielen ist Lernen und Potenzialentfaltung

Jedes Spiel ist eine Herausforderung. Eine Herausforderung wiederum ist eine Aktivität, die weder unter- noch überfordert ist, stattdessen exakt dem aktuellen Entwicklungsstand entspricht. Somit ist jedes Spiel etwas, was etwas schwieriger ist, als das, was der Mensch routiniert kann. Das Lernpotenzial steckt somit in jedem Spiel.

Beim schulischen Lernen müssen Lehrpersonen versuchen, die Neugierde eines jeden Kindes zu wecken, auf deren Vorwissen abzustützen und den "Lernstoff" so aufzubereiten, dass Kinder mit allen Emotionen dabei sind. Denn Emotionen sind entscheidend, damit das Gelernte im Gehirn gespeichert und langfristig nutzbar ist.

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Bei einer Klasse mit zwanzig bis dreissig Schülerinnen und Schülern ist das ein Ding der Unmöglichkeit, wenn die Lehrperson sich an einen schulischen Lehrplan halten muss. Beim Spielen hingegen geschieht das alles ganz automatisch.

Je grösser die Freiheit des Kindes ist, frei zu spielen, desto mehr kann es demnach das in ihm veranlagte Potenzial entwickeln. Wird ein Kind vom Spielen abgehalten, entwickelt es sich unterhalb seiner Möglichkeiten.

Ein Recht auf Bildung bedeutet ein Recht auf freies Spielen

Jedes Kind soll ein Recht auf Bildung haben, sind sich viele einig. Doch was heisst das? Müssen deshalb alle Kinder zur Schule gehen?

Was gut gemeint ist, verursacht oft genau das Gegenteil. In der Schule sind Lehrpersonen an einen schulischen Lehrplan gebunden. Im Gegensatz zum inneren Entwicklungs- oder Lehrplan, harmoniert der von der Schule vorgegebene Lehrplan höchstens zufällig mit der Einzigartigkeit der Kinder. In vielen Fällen kommt er mit dem inneren Lehrplan in Konflikt. Indem Kinder vom freien Spielen abgehalten werden, werden sie davon abgehalten, ihre Veranlagungen zu entwickeln – resp. sich im humboldtschen Sinne zu bilden.

Blicken wir also genau hin, wird das Recht auf Bildung, das mit der Schulpflicht umgesetzt werden soll, zu einer Lotterie, wie stark der äussere, schulische Lehrplan im Einklang steht mit dem Inneren.

Nehmen wir das Recht auf Bildung – wie es in den Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Art. 26) festgelegt ist – ernst, müsste der verpflichtende Lehrplan durch ein Recht auf Spiel ersetzt werden. Letzteres gibt es zwar im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 31) ebenfalls, wird aber aus obiger Perspektive – genau wie das Recht auf Bildung – nicht umgesetzt.

Was geht dir zu diesem Thema durch den Kopf? Ich freue mich auf deinen Kommentar.

Dieser Artikel erschien erstmals in der Zeitschrift "die freilerner", Ausgabe 4/2024, unter dem Titel "Weshalb ein verpflichtender Lehrplan von Bildung abhält". Er wurde für diesen Blog leicht überarbeitet.

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Über den Autor

Nando Stöcklin

studierte Ethnologie und promovierte in Pädagogik. Beruflich beschäftigte er sich als Forschungsmitarbeiter mit den Auswirkungen der digitalen Transformation und mit Spielen. Er ist überzeugt, dass ein natürliches, gesundes Leben sich genauso magisch anfühlt wie Spielen. Mithilfe des von ihm entwickelten Magie-Mischpults hilft er als Magie-Doktor Menschen zurück in das natürliche Spiel des Lebens.

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Kommentare

  • Lieber Nando, du hast vollkommen recht. Die Gesetze sind eben von wahnsinnigen Persönlichkeiten für wahnsinnige Persönlichkeiten gemacht. Wer als natürlicher Mensch einfach hier ist und das Leben spielt und geniesst, der fühlt sich wohl. Es wird im nicht einfallen, Lieblosigkeiten irgendwelcher Art auszuteilen. Der natürliche Mensch braucht keine Gesetze und Vorschriften.
    Und bis das die Mehrheit erkannt hat, haben wir Erwachsene zwei Dinge zu tun:
    1) Wir leben dieses Natürliche-Mensch-sein vor.
    und
    2) Wir übernehmen gelassen und bestimmt die Verantwortung gegenüber den irrsinnigen Persönlichkeiten, damit die Kinder frei nach ihrem inneren Plan aufwachsen können.
    Mir begegnen viele, die denken, sie könnten das nicht, weil…. aber das stimmt nicht. Kopieren geht nicht, aber sein Leben auf individuelle Art zu spielen, geht immer.

    • Vielen Dank, Christina.

      Ja, ich finde es auch zentral, dass wir unsere Natur leben und unser Möglichstes geben, dass Kinder ihre Natur leben können.

      Herzlich,
      Nando

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