25. Januar 2022

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Möchtest du das Potenzial des Spielens nutzen für Schule, Business oder Job? Ich zeige 4 Levels von Gamification, jeweils mit konkreten Beispielen. Ausserdem erfährst du, welche verblüffende Königsdisziplin allen Gamification-Ansätzen weit überlegen ist.

Was ist Gamification?

Der Begriff “Gamification” leitet sich vom englischen “Game” – Spiel – ab. Gamification meint, einen Prozess, der kein Spiel ist, spielähnlicher zu gestalten, indem Elemente des Spiels oder Techniken des Spiel-Designs auf diesen anderen Prozess übertragen werden. [1][2]

Typische Prozesse sind Motivation von Mitarbeitenden, Kundenbindung oder schulisches Lernen. Typische Elemente könnten sein – ach nein, das verrate ich später.

Weshalb soll etwas spielähnlicher gestaltet werden?

Bevor wir zu Level 1 aufbrechen, eine kurze Frage: Weshalb um alles in der Welt soll zum Beispiel das schulische Lernen oder die Mitarbeitermotivation dem Spiel angeglichen werden? Spielen ist doch etwas ganz und gar Überflüssiges! Schliesslich ist das Leben kein Ponyhof. Lernen muss zuweilen auch weh tun und arbeiten ist auch kein Zuckerlecken!

Solche Einwände höre ich oft. Als Spielforscher und Magie-Doktor sehe ich das anders.

Spielen ist das Geschenk der Natur, um die Persönlichkeit zu entfalten, erfüllt, zufrieden und glücklich zu sein. Spielen hat enorme Vorteile und ein riesiges Potenzial.

Betrachte Kinder beim Spielen. Sie sind mit grösstem Eifer bei der Sache. Voller Emotionen. Sie brauchen keine Motivierung von aussen. Sie packen Herausforderungen an, experimentieren, entdecken, lernen. Kein Wunder, dass Prozesse nach diesem Vorbild gestaltet werden sollen!

Spielen ist der natürliche Zustand des Menschen und die effektivste Art zu lernen. Ich gehe soweit zu behaupten, dass alles, was sich nicht spielerisch anfühlt, kaputt ist. Demnach ist Gamification ein Reparatur-Werkzeugsatz.

Aber nun ist genug geschwafelt – auf zu Level 1

Gamification: 4 Levels mit Beispielen

Level 1: Belohnungs-Gamification

Bei der Belohnungs-Gamifaction werden besonders jene spieltypischen Elemente eingesetzt, die sich leicht von einem Spiel abspalten und in einen anderen Kontext übertragen lassen: Punkte, Auszeichnungen (Badges) und andere Sammelobjekte. Diese Elemente sollen dazu beitragen, Menschen durch Belohnungen zu einem bestimmten Verhalten zu motivieren.

Belohnungs-Gamification wird häufig zur Kundenbindung eingesetzt. Beispielsweise erhält man in einem Shop eine Sammelkarte und bei jedem Kauf einen Eintrag. Sobald die Karte mit Einträgen voll ist, erhält die Kundin oder der Kunde eine Belohnung.

Diese Gamification-Art ist leicht umzusetzen. Zähle einfach etwas und kommuniziere diese Zahl prominent. Die Sprach-Lern-Plattform Duolingo zählt etwa, wie viele Tage du am Stück gelernt hast (”Streak”). Das motiviert, auch am nächsten Tag mit Duolingo einige Vokabeln zu büffeln – ansonsten springt der Zähler wieder auf Null.

Doch das Potenzial von Belohnungs-Gamification ist beschränkt. Sie funktioniert besonders bei Routinetätigkeiten gut, dort wird sie selten intrinsische Motivation unterwandern. Aus dem selben Grund ist sie für Problemlösetätigkeiten schlecht geeignet.

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Gamification-Elemente

Beispiele

  • Punkte
  • Badges als Belohnung
  • Sammelobjekte
  • Punkte pro gekaufter Pizza. Ziel: Kundenbindung
  • Streaks. Ziel: Abbrechquote senken
  • Boni. Ziel: Motivation von Mitarbeitenden erhöhen
  • Schulnoten/Zeugnis. Ziel: Lernmotivation erhöhen
  • Smileys auf Aufgabenblättern. Ziel: Arbeitsmotivation in der Schule erhöhen

Level 2: Status-Gamification

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Ebenfalls recht einfach designen lassen sich Motivationsanreize, die auf die Erhöhung des Status abzielen. Dabei können auch wieder Badges zum Einsatz gelangen, diesmal allerdings weniger als Belohnung, dh. diesmal steht die öffentliche Präsentation der Badges im Vordergrund. Ranglisten oder ausgefeiltere Programme zur Erhöhung des Status (z.B. Vielfliegerprogramme von Fluggesellschaften) sind weitere Möglichkeiten, den Status gezielt zu erhöhen. Der erhöhte Status gilt nur im jeweiligen Ökosystem. Fliegen Vielfliegende zwischendurch mit einer anderen Fluggesellschaft, können sie nicht von einem erhöhten Status profitieren.

Der Aufwand für Status-Gamification ist meist etwas höher – das Potenzial auch, aber letztlich trotzdem limitiert.

Es wird alles besser, versprochen. Lies unbedingt, was Level 3 für dich bereithält. Schau mal, wie schnell du bei Level 3 weiterliest. 3, 2, 1, go!

Gamification-Elemente

Beispiele

  • Ranglisten
  • Avatare
  • Levels
  • Privilegien
  • Fortschrittsanzeige 
  • Rückmeldungen
  • Badges als Statusobjekt zum Vorzeigen
  • Sammelobjekte zum Vorzeigen
  • Vielfliegerprogramm. Ziel: Kundenbindung
  • Karriere-Titel wie "Junior Change Agent" oder "Senior Project Manager". Ziel: Motivation von Mitarbeitenden erhöhen
  • Prüfungen in Reihenfolge der Note zurückgeben. Ziel: Lernmotivation erhöhen
  • Bezeichnungen wie "Wandtafelchef". Ziel: Motivation für Ämtchen in Schule erhöhen

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Level 3: Identifikations-Gamification

Wahnsinn, du hast den Highscore geknackt! Was heisst da geknackt? Pulverisiert!

  1. 0.2 Sekunden: DU
  2. 3.1 Minuten: Milena
  3. 3.4 Minuten: Klaus

Tsss, billige Rangliste! Die Identifikation mit einer Aktivität zu erhöhen ist vielfach deutlich aufwändiger als Belohnungs- oder Status-Gamification. Beispielsweise eine Storyline, bei der die Nutzenden Teil der Story sind und als solche Aufgaben zu bewältigen haben. Das kann die Nutzenden emotional stärker aktivieren und so für den Sinn einer Aufgabe sensibilisieren. Auch Visualisierungen oder Soundeffekte können einen Beitrag leisten, um die Identifikation mit Wichtigem (aus Sicht der Designer) zu erhöhen.

Zum Beispiel kannst du mit Questanja (kostenlos) beliebige Unterrichtseinheiten in eine Storyline einbetten. Die Schülerinnen und Schüler müssen dann vielleicht als Journalisten mit einer Zeitmaschine nach Berlin ins Jahr 1935 reisen und berichten, was sie gesehen haben.

QuesTanja Quest Teaser

Storyline in QuesTanja. Die Schülerinnen und Schüler sind in einer Rolle aus der Geschichte. Hier: Teaser einer Quest.

QuesTanja Quest

Quest-Detailansicht in QuesTanja

Stell dir vor, du hast die Aufgabe gestellt erhalten, die Welt zu retten. Zugegeben, es gibt einfachere Aufgaben. Aber hey, auf Level 4 findest du einen ersten Hinweis, wie du das schaffst.

Gamification einer Arztpraxis

Besonders fieses Beispiel von Gamification einer Arztpraxis

Gamification-Elemente

Beispiele

  • Visualisierungen
  • Sound-Effekte
  • Hierarchisierung von Aktivitäts-Möglichkeiten
  • Storyline
  • Visualisierung von guten Taten bei Umweltschutz- Kampagne ("wir konnten bereits x Bäume pflanzen"). Ziel: Motivation für bestimmte Massnahmen
  • Storylines in der Schule: Arbeitsmotivation erhöhen

Level 4: Selbstbestimmungs-Gamification

Hier dein Hinweis, ach was, ich gebe dir gleich drei. Erstens: Menschen, die tun, was sie lieben, fühlen sich erfüllt. Zweitens: Wer sich erfüllt fühlt, benötigt keine Ersatzbefriedigungen. Drittens: Wer keine Ersatzbefriedigungen benötigt, konsumiert nicht übermässig. Das rettet die Welt.

Selbstbestimmungs-Gamification versucht nicht, einzelne spieltypische Elemente zur Motivation zu nutzen, sondern ein Nicht-Spiel zum Spiel zu verwandeln. Wichtig dabei: Was ein Spiel ist, kann nur jeder Mensch für sich selbst bestimmen. Es ist eine selbstgewählte Aktivität. Somit ist es schwierig, deine Erwartungen auf andere zu übertragen. Aber das ist ohnehin oft genau das, was das System kaputt macht – also weg damit!

Trotzdem kann von aussen Einfluss darauf genommen werden, indem entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es können Freiräume geschaffen werden zur freien Wahl. Wollen Designer Nutzende zu einer bestimmten Aktivität verleiten, muss diese Aktivität so viel Spass bereiten, dass sie freiwillig gewählt wird.

Beispiel: Du möchtest gerne mit deiner Familie spazieren gehen. Doch die Kinder finden das sowas von langweilig. Du kannst die Rahmenbedingungen ein klein wenig ändern: Deine Kinder müssen nicht auf der Strasse gehen, sie dürfen auch auf dem Randstein balancieren. Bämm! Und schon wird aus der langweiligen Aktivität “Spazieren” eine echte Herausforderung – ein Spiel.

Das waren die 4 Level. Aber ich hab noch was für dich: Die Königsdisziplin von Gamification. Die habe ich gut versteckt. Schaffst du es, sie zu finden?

Gamification: Holzstapel als Stillleben

Wenn Holzstapeln zu langweilig ist, lässt sich eine Herausforderung daraus machen: Schaffe ich es, ein Bild in den Stapel zu integrieren?

Gamification-Elemente

Beispiele

  • Anregung der Neugierde und Fantasie
  • freie Wahl
  • Herausforderungen
  • Überraschungen
  • statusfreie Kooperationen und Wettkämpfe
  • Routinetätigkeit in Herausforderung verwandeln. Ziel: Erhöhung von Spass und damit der Motivation
  • "Sie sollen"-Haltung durch "Sie wollen"-Haltung ersetzen. Ziel: Zufriedenheit erhöhen.








Gamification: Königsdisziplin

Wahnsinn! Du hast die Köngisdisziplin gefunden. Kein Mensch je zuvor hat diese Stelle erreicht!

Fremdbestimmte Tätigkeiten benötigen fremdbestimmte Gamification

Die 4 Gamification-Level befinden sich auf einer Skala von stark fremdbestimmt zu selbstbestimmt. Je langweiliger die Aufgabe, je kaputter das System ist, desto fremdbestimmtere Varianten von Gamification kannst du nutzen.

Du hast zufällig ein Fliessband herumstehen und niemand will es bedienen? Wähle die fremdbestimmteste Art und biete den Menschen einen Lohn – sprich eine Belohnung.

Du willst die Welt retten? Dann lasse die Menschen spielen.

Die Königsdisziplin: Pure Magie

Punkte, Badges, Level: All das kann die Motivation erhöhen, aber es entsteht niemals dieselbe Magie wie beim freien Spielen. 

Und das ist die Königsdisziplin: Konzentriere dich auf das Gefühl, das beim Spielen entsteht: Magie. Wähle Massnahmen, die ganz gezielt das magische Gefühl entstehen lässt. 

Beim Spielen sind 9 Regler in Balance. Analysiere dein System, zum Beispiel die Kundenbeziehung. Welche der 9 Regler sind in Balance? Was kannst du tun, damit du jene, die aus der natürlichen Balance geraten sind, wieder an die richtige Stelle hinbekommst? Gelingt das, ist dein Energiepegel bei 100 Prozent. Diese Energie überträgt sich – um beim Beispiel zu bleiben – auf die Kunden. Die Kunden sind begeistert und du hast es geschafft: eine Kundenbeziehung voller Magie.

Hier habe ich einen Magietest bereitgestellt. Damit kannst du testen, wie die 9 Regler in deinem Erwerbsleben positioniert sind.

Regler 3D Magie-Mischpult

Die Königsdisziplin der Königsdisziplin

Mache nicht das Lernen, nicht die Kundenbeziehung, nicht die Arbeitsmotivation zum Spiel, sondern dein ganzes Leben. Und zwar zu einem richtigen Spiel, einem Spiel voller Magie, nicht zu einem ich-gebe-dir-3-Punkte-wenn-du-das-Match-gewinnst-Spiel!

Das meine ich total ernst. Das ist keine Utopie, sondern der ganz natürliche Zustand des Menschen. Ich habe sogar ein Buch darüber geschrieben, da habe ich erklärt, wie du die Rückkehr zum spielerischen Leben voller Magie schaffst. Und erst noch ganz lustvoll in eine packende Erzählung verpackt.

Du willst – nein, nicht unbedingt die Welt retten, sondern “nur” ein erfülltes Leben? Hier ist deine Anleitung: “Spiel dein Leben – über die Leichtigkeit des Spiels”.

P.S.

Ungefähr zwei Bemerkungen zum Schluss:

  1. Gamification-Profis haben deutlich mehr drauf, als einzelne Elemente eines Spiels in ein Nicht-Spiel zu packen. Sie beschäftigen sich mit Dingen wie Systemdesign, Engagement-Schleifen oder Fortschrittsstufen. Da ich kein Gamification-Profi bin, sondern ein Magie-Doktor, überlasse ich es anderen, darüber zu schreiben.
  2. Dass Gamification überhaupt notwendig ist, verdanken wir vielfach den Auswirkungen der Industrialisierungen. Jäger und Sammler benötigen keine Gamification, sie leben ein natürliches, spielerisches Leben.
  3. Mehr über die vier Gamification-Arten findest du in diesem Gamification Framework.

Quellen

[1] Deterding, Sebastian ; Dixon, Dan ; Khaled, Rilla ; Nacke, Lennart: From game design elements to gamefulness: defining gamification. In: Proceedings from Mindtrek 2011. Tampere, Finnland : ACM, 2011

[2] Werbach, Kevin ; Hunter, Dan: For the Win. How Game Thinking Can Revolu- tionize Your Business. Philadelphia : Wharton Digital Press, 2012

Über den Autor

Nando Stöcklin

studierte Ethnologie und promovierte in Pädagogik. Beruflich beschäftigte er sich als Forschungsmitarbeiter mit den Auswirkungen der digitalen Transformation und mit Spielen. Er ist überzeugt, dass ein natürliches, gesundes Leben sich genauso magisch anfühlt wie Spielen. Mithilfe des von ihm entwickelten Magie-Mischpults hilft er als Magie-Doktor Menschen zurück in das natürliche Spiel des Lebens.

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